
Klarissa Klotschke ist Preisträgerin des DVP-Förderpreises 2020
Thema: Potentiale und Herausforderungen des agilen Projektmanagements in der Immobilienprojektentwicklung
Hochschule: Technische Universität Darmstadt, Fachgebiet Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre
Professor: Prof. Dr. Andreas Pfnür
Frau Klarissa Klotschke ist die diesjährige Preisträgerin des DVP und hat mit einer hervorragenden Masterarbeit überzeugt. Der Dank des DVP geht an die Sponsoren und die Jury, die es uns ermöglichen, diesen Preis zu vergeben.
Unser Glückwunsch geht an Klarissa Klotschke, die ich für dieses Interview bei ihrem derzeitigen Projekt „Neuer Kanzlerplatz“ auf der Baustelle in Bonn erreiche – natürlich über einen Videochat.
Dort ist sie für das Unternehmen Art-Invest Real Estate als „Junior Investment Manager Design & Construction“ tätig.
DVP: Erleben Sie zurzeit viel Agilität wie in Ihrer Masterarbeit beschrieben in Ihrem täglichen Berufsalltag?
Klotschke: Davon spüre ich zurzeit tagtäglich eher weniger. Generell spielt das Thema Agilität aber schon eine Rolle. Allerdings unterscheidet sich hier deutlich das Verständnis im beruflichen Alltag vom wissenschaftlichen Verständnis. Agil bedeutet, dynamisch auf Veränderungen zu reagieren und flexibel zu sein, ja. Aber es gehört weitaus mehr dazu als nur das. Dahinter stecken tiefgehende Werteänderungen und die Umsetzung von agilen Methoden. Diesen Schritt sehe ich bisher im Berufsleben nicht. Man spürt jedoch eine Offenheit, sich mit agilem Projektmanagement und einer entsprechenden Umsetzung zu befassen.
DVP: Warum tut sich die Branche so schwer mit der Agilität?
Klotschke: Ich erlebe die Branche als recht traditionell. Es ist viel Beratung erforderlich, damit neue Möglichkeiten erkannt werden. Veränderung entsteht dann, wenn sie an übergeordneter Position im Unternehmen in die Hand genommen wird. Ansichten und Prozesse müssen verändert werden, das ist stellenweise sehr grundsätzlich. Hilfreich sind Pilotprojekte, mit denen neue Methoden geübt werden können. Darauf müssen sich die Beteiligten dann allerdings auch einlassen und die Mehrarbeit akzeptieren.
DVP: Sind neue Methoden automatisch mit Mehrarbeit verbunden?
Klotschke: Alles Neue ist erstmal Mehrarbeit. Die Beteiligten müssen sich die Zeit nehmen, um zu erproben, wie das Neue konkret umgesetzt werden soll und kann.
DVP: Ist Agilität eine Generationenfrage?
Klotschke: Mitunter, aber nicht automatisch. Aus meinen Experteninterviews kann ich diesen Schluss nicht ziehen. Es ist vor allem eine individuelle Frage. Die einzelnen Beteiligten müssen offen sein für Neues und dies vorantreiben.
DVP: Gibt es von diesen agilen Individuen genug?
Klotschke: Wichtig ist meiner Meinung nach, dass die Gesamtheit der Beteiligten mitmachen muss. Die große Anzahl derjenigen, die bei Planungs- und Bauprojekten mitgenommen werden müssen, kann dazu führen, dass es schleppend wird. Auch wenn Einzelne an einer Veränderung interessiert sind, hängen viele Andere mit dran, die positiv eingestimmt sein müssen.
DVP: Welche konkreten agilen Arbeitsweisen können in der Projektentwicklung hilfreich sein?
Klotschke: Im Rahmen meiner Arbeit konnte ich bei der Identifikation der Potentiale und Herausforderungen des agilen Projektmanagements in der Immobilienprojektentwicklung wesentliche Kernelemente herausarbeiten. Zuerst ist hier die fortwährende Integration des Nutzers in den Prozess zu nennen, wodurch dessen Bedürfnisse und Anforderungen besser in das Projekt einfließen können und somit das Gesamtergebnis zufriedenstellender wird.
Außerdem muss der Prozess an sich verändert werden, weg von einem sequentiellen Durchlaufen von Phasen hin zu einem iterativen Vorgehen. Hierdurch ergibt sich die Möglichkeit, veränderte Anforderungen stetig zu berücksichtigen. Dabei können zusätzlich bereits während des Projektes Teilergebnisse erzeugt werden, die eine frühzeitige Validierung ermöglichen und die Komplexität des Projektes verringern.
Da in einer Projektentwicklung das Team eine wichtige Rolle einnimmt, ist ein weiteres Kernelement das selbstorganisierte Team mit Selbststeuerung der Teammitglieder. Dadurch wird das Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen geschärft. Insgesamt ergibt sich dadurch eine verbesserte Zusammenarbeit im Team.
In Bezug auf die zeitliche Komponente eines Projektes setzt das agile Projektmanagement auf das sogenannte Time-Boxing. Time-Boxing bedeutet die Dauer von Besprechungen im Vorfeld zu limitieren. In einer Projektentwicklung wird das Zeitmanagement jedoch sehr stark von äußeren Einflüssen beeinflusst und Time-Boxing würde die Handlungsfähigkeit im Projekt zu stark einschränken.
Das letzte identifizierte Kernelement ist eine transparente Zusammenarbeit der Akteure. Sie stellt insbesondere in der Projektentwicklung eine Herausforderung dar, weil viele interdisziplinäre Akteure mit unterschiedlichen Interessen aufeinandertreffen. Transparenz kann jedoch die Kooperation zwischen den Beteiligten fördern und dazu beitragen, dass Akteure stärker eingebunden werden. Schlussendlich profitiert dann das Projektergebnis.
DVP: Agilität ist eine Methode, die stellenweise eine Veränderung des Mindsets erfordert?
Klotschke: Definitiv und nicht nur stellenweise. Die Veränderung des Mindsets ist letztendlich einer der wichtigsten Punkte, damit agiles Projektmanagement funktioniert. Die Werte und Prinzipien des agilen Projektmanagements müssen von den Beteiligten verinnerlicht werden. Es muss ein Umdenken stattfinden. Nur so können die Methoden gewinnbringend und zielführend eingesetzt werden und nur so kann es gelingen, dass agiles Projektmanagement in der Praxis etabliert wird. Hier ist jeder Einzelne gefordert, sein Mindset anzupassen
DVP: Wie haben Sie vom Förderpreis des DVP erfahren?
Klotschke: Mein Professor Herr Professor Dr. Pfnür hat mir vorgeschlagen, mich mit meiner Arbeit für einen Forschungspreis zu bewerben. In diesem Zuge hat er mich auf den DVP-Förderpreis hingewiesen. Daraufhin habe ich mich über den DVP informiert und mich auf den Preis beworben. Nun die Gewinnerin dieses Preises zu sein, freut mich sehr!
DVP: Welche weiteren Initiativen könnten Sie sich vorstellen, um den DVP bei Studierenden bekannt zu machen?
Klotschke: Ich denke, dass eine Präsenz an der Universität und der Kontakt zu Hochschulgruppen förderlich sind, um den DVP bei Studierenden bekannt zu machen.
Außerdem denke ich, dass es explizit in Bezug auf den Förderpreis wichtig ist, dass insbesondere von Seiten der Universitäten und betreuenden Professoren ein Impuls gegeben wird und die Studierenden ermutigt werden, sich mit ihren Arbeiten auf diesen Preis zu bewerben. Absolventen gehen nicht unbedingt davon aus, dass ihre Arbeit einen Preis verdient hat.
DVP: Und darüber hinaus?
Klotschke: Einblicke in den Verband zu erhalten, finde ich interessant. Was macht der Verband? Was steckt dahinter? Wie ist die Mitgliederstruktur? An der Uni Darmstadt bin ich Mitglied des so genannten „WiBiNET“ gewesen, eines Netzwerks für Wirtschaftsingenieure mit dem Schwerpunkt Bauingenieurwesen. Dort haben sich Firmen vorgestellt und Einblicke in die Unternehmen gegeben.
DVP: Könnte das auch eine Idee für den DVP sein?
Klotschke: Ja, auch für einen Verband wäre das ein passendes Format. Studierende müssen immer mal abgeholt werden, damit sie mehr sehen als nur das Studium. Es gibt so viele verschiedene Unternehmen und Arbeitgeber, da verliert man schnell den Überblick. Wenn der DVP mit seinen Mitgliedern sich hierzu präsentieren könnte, wäre das eine attraktive Sache.
DVP: Ich habe erst kürzlich gelesen, dass Sie noch einen weiteren Preis gewonnen haben?
Klotschke: Ja, vom Verein „Frauen in der Immobilienwirtschaft“ habe ich den Ingeborg-Warschke-Nachwuchsförderpreis erhalten. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass ich zur Preisverleihung noch kurz vor dem zweiten Lockdown nach Berlin fahren durfte.